Wie sieht Juste Hähnel aus?

Eine Aue des Friedens sollte es werden. Nach dem militärischen Sieg über das als räuberisch erlebte  Frankreich sollte die endlich vereinte Kraft aller deutschen Stämme die Gewähr dafür bieten, dass der Reichsgründung ein Friedensreich folgen würde. Und wie im Großen gedacht, wurde im Kleinen angepackt: Der Gründerzeitaufschwung kam in Gang, auch auf dem Gelände des bisherigen Rittergutes Deutsch-Wilmersdorf, nunmehr Baugrund des „Grunderwerbs- und Bauvereins auf Actien“. Das war 1871.

Mitglied des Aufsichtsrats dieser Vereinigung und einer der ersten Hauserbauer der neuen Siedlung war der Baumeister Hermann Hähnel, nach dem zwei Jahre vor seinem Tod die kurze Straße hinter dem später entstandenen Friedenauer Rathaus benannt wurde. Aber die schnell wachsende Landhauskolonie benötigte auch einen Namen, und der entstand aus der gedanklichen Verbindung des erhofften Friedensreiches mit der Freude über die ländliche Idylle der gerade entstehenden Siedlung. So wurde innerhalb eines Jahres aus der Aue des Friedens zunächst die Friedensaue und schließlich Friedenau.

Schöpferin dieser Namensbildung war Auguste Hähnel, die Frau des Gründervaters. Nach ihr aber ist keine Straße benannt. Darum hat die BI Breslauer Platz vorgeschlagen, dieser Namensfinderin einen ganz besonderen Ehrenplatz zu geben, nämlich den der Brunnenfigur des auf dem Breslauer Platz vorgesehenen Schmuckbrunnens. Um dieser Gestalt ein möglichst lebensnahes Aussehen zu geben, ist die BI auf der Suche nach Fotos und anderen Dokumenten, die in dieser Frage weiterhelfen, nachdem sich herausgestellt hat, dass im Stadtarchiv leider kein Bildmaterial vorhanden ist. Da die Ehe der Hähnels kinderlos blieb, in der Todesanzeige im Lokal-Anzeiger aus dem Jahre 1902 aber von einer Tante und einer Großtante die Rede ist, bleibt zumindest die Hoffnung, dass Nachkommen aus dem Kreis der Verwandten aufzuspüren sind.
Vielleicht gibt es aber unter uns auch Nachkommen der anderen Mitglieder des Landerwerbsvereins von 1871. Einige Namen werden in Veröffentlichungen genannt: A. Kämpf, W. Fröauf, L.  Blankenberg, P. Consentius, C.  Hacker, H. Simon. Denkbar ist auch, dass sich Unterlagen in anderen gesellschaftlichen Zusammenhängen erhalten haben, etwa bei Nachkommen von Mitgliedern des 1881 gegründeten „Vereins für Beschaffung billiger Wohnhäuser“, die ihre Häuser aus rohen Backsteinen bauten und deswegen „Rohbauern“ genannt wurden (etwa Niedstr. 13, wo Günter Grass lange Zeit gewohnt hat).
Oder bei Nachkommen von Mitgliedern des „Männer-Turnvereins zu Friedenau“ ist etwas aufzuspüren. Oder bei Nachkommen von Mitgliedern des „Haus- und Grundbesitzervereins zu Berlin-Friedenau“: Zehn Jahre nach dem Tod der Namensmutter lauteten die Namen des Vorstands: v. Wracken, Afdring, Bering, Brücker, Dreger, Engelhardt, Mathies, Stöcker, Dr. Thurmann. Möglich ist schließlich auch, dass es Nachkommen der Gründerzeitgeneration in der Kirchengemeinde Zum Guten Hirten gibt, die diesbezügliches Dokumentationsmaterial beherbergen.
Alle Friedenauer sind hiermit herzlich aufgerufen, in ihren Überlieferungsbeständen einmal nachzusehen, ob es dort Hinweise auf die reale Auguste Hähnel gibt, jede Nachricht kann dienlich sein. Sie können Ihren Hinweis senden an:

Bürgerinitiative Breslauer Platz
c/o Nachbarschaftsheim Schöneberg e.V.
Holsteinische Straße 30
12161 Berlin

Ottmar Fischer

Text des Berichtes zum Tode von Auguste Hähnel im Friedenauer Lokal-Anzeiger:

Friedenauer Lokal-Anzeiger.

Gleichzeitig Organ für den Friedenauer Ortstheil von Schöneberg und den Bezirksverein Süd-West.
Unparteiische Zeitung für kommunale und bürgerliche Angelegenheiten.
Ausgabe Nr. 138. – Friedenau, Montag den 16. Juni 1902. – 9. Jahrg.
1. Seite, 2. Spalte, Mitte

† Frau Baumeister Hähnel †. Am Sonnabend starb im 74. Lebensjahre in ihrer kleinen Villa. Ringstraße 11, die verw. Frau Baumeister Hähnel, die unserem so prächtig emporblühenden Ort den Namen gegeben hat. Herr Baumeister Hähnel, der Ehemann der jetzt Verstorbenen, war Mitbegründer und Aufsichtsrathmitglied des 1871 gegründeten Landerwerb- und Bauvereins auf Aktien zu Berlin. Im Jahre 1872, nachdem die ersten Häuser der neuen Kolonie errichtet waren, sollte dieselbe auch einen Namen erhalten. Endlich, nach langen Berathungen einigte man sich auf den Vorschlag der Verstorbenen, zum Andenken an dem Friedensschluß des Jahres 1871, der Kolonie den Namen „Friedensau“ zu geben. Später ist dann das runde „s“ fortgelassen und hieß die Kolonie, als sie im Jahre 1875 selbstständige Gemeinde wurde, nun Friedenau. Baumeister Hähnel bewohnte eine Villa an der Ecke der Rhein- und Kirchstraße, die er um das Jahr I894 an dem verstorbenen Bauunternehmer Herrn Pählchen verkaufte, der auf der Baustelle das große Eckhaus Rheinstraße 18 erbaute und eine Bauparzelle an den Bauunternehmer Herrn Stöckel verkaufte, der das Haus Rheinstraße 17 baute. Die Ecke gehört  jetzt den beiden hiesigen Töpfermeistern Herren Hermann und Robert Fiebig und das Grundstück Rheinstraße 17 Herrn Dr. Guthmann. Nach Verkauf der Villa zog Herr Baumeister Hähnel nach Zehlendorf, wo er bald verstarb. Seine Leiche wurde auf dem Friedenauer Kirchhof beigesetzt und wird seine Ehefrau neben ihm ruhen. Die Verstorbene zog nach dem Tode ihres Mannes wieder nach Friedenau, und zwar im Hause Rheinstraße 15, wo der damalige Besitzer desselben. Herr Rathgen. einen Theil der prächtigen Rosen der ehemaligen Hähnel’schen Villa in seinem Garten verpflanzt hatte. Frau Hähnel pflegte diese Rosen wie ihre Kinder. Als sie dann 1898 die Villa Ringstraße 11 kaufte, legte sie dem jetzigen Besitzer des Hauses Rheinstraße 15 ans Herz, ihre Kinder der Flora weiter zu pflegen. Leider sind dieselben wegen ihres Alters bei späterem Umpflanzen bis auf einen Stock eingegangen, der auch infolge Alters sehr zurückgegangen ist. aber in diesem Frühjahr drei Knospen getrieben hat, welche der Verstorbenen nach dem Aufblühen auf ihr Grab gelegt werden sollen. Die Beerdigung findet morgen Nachmittag 3 Uhr von der Leichenhalle des hiesigen Friedhofs statt.

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