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Jahrbuch 1999 für Steglitz - Parkfriedhof Lichterfelde

Parkfriedhof Lichterfelde 
Otto Karl Friedrich Dibelius
15.5.1880 - 31.1.1967

In der recht breit erschlossenen Berliner Kulturlandschaft gibt es noch immer Entdeckungen zu machen. Eine davon ist der Parkfriedhof Lichterfelde. Abseits der touristischen Pfade gelegen, führte er bislang ein Dornröschendasein - sehr zu Unrecht. Als erster parkartig angelegter Friedhof Berlins ist der Parkfriedhof Lichterfelde aus einem gartenkünstlerischen Wettbewerb hervorgegangen. Sein Schöpfer, der Magdeburger Gartenarchitekt Friedrich Bauer stand auf der Höhe seines Ruhms, als er 1908 mit dem Entwurf "Ohne Zwang" den ersten Preis gewann. 

In den zwanziger Jahren, als die freie Friedhofswahl für alle Berliner eingeführt wurde, entwickelte er sich zum Prominentenfriedhof und wurde noch Plänen Erwin Barths erweitert. Zahlreiche Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Kunst wählten den Lichterfelder Friedhof als letzte Ruhestätte. Dem sehr lesenswerten Buch "Den Toten eine Stimme" von Uta Lehnert, erschienen in der Edition Hentrich, haben wir den folgenden Absatz entnommen. 

Mit dem Namen Otto Dibelius verbindet sich sowohl die Thematik des Widerstands im "Ill. Reich", als auch ein wesentliches Kapitel der kirchlichen Reorganisation nach dem II. Weltkrieg. Als Dibelius 1967 starb, hieß es in einem Nachruf, er sei ein Mensch gewesen, der keine Feinde gehabt habe. Diese scheinbar positive Einschätzung zeugt vom Bemühen vieler Zeitgenossen, das Bild ihres hochverehrten Bischofs der Nachwelt ungetrübt zu übermitteln. Dibelius, geprägt durch ein preußisches Elternhaus und Begriffe wie Vaterland und Kirche, Thron und Altar, Arbeiterschaft und Sozialismus, wuchs in Lichterfelde als Sohn eines Postbeamten und einer Pfarrerstochter auf. 

An der Berliner Universität studierte er bei Adolf Harnack, dessen liberale politische Einstellung er als korporierter Student sicher nicht teilte. Es folgten Studienaufenthalte in Schottland und England, die durch den älteren Bruder Wilhelm, einen Anglisten, angeregt worden waren. Mit dem Besuch des Predigerseminars in Wittenberg schloß Dibelius' Ausbildung ab. Kurz nach seiner Ordinierung im Dezember 1906 heiratete er. Aus der Ehe gingen sechs Kinder hervor. Seine Frau Armgard folgte ihm auf die verschiedenen Pfarrstellen. 1921 wurde Dibelius neben seiner Pfarrtätigkeit Mitglied des Oberkirchenrats. Vier Jahre später gelangte er als Generalsuperintendent in die Position des höchsten evangelischen Würdenträgers der Kurmark. 

Am 21. März 1933, dem berüchtigten "Tag von Potsdam", predigte Dibelius in der Potsdamer Nikolaikirche vor den Nationalsozialisten und warnte dabei, wenn auch nur andeutungsweise, vor einem "Hineinregieren" des Staates in die Kirche. Dibelius gehörte der Deutschnationalen Partei an und stand den Nationalsozialisten anfangs nicht ablehnend gegenüber. Unfaßbar war ihm daher seine Amtsenthebung im Juli 1933. Der Weg des Kirchenmannes in den Widerstand verlief nicht gradlinig. Unter Beteuerung seiner nationalen Gesinnung versuchte der damals 53jährige zunächst, seine Amtsenthebung rückgängig zu machen: "... und habe schon während meiner Studentenzeit im Kampf gegen Judentum und Sozialdemokratie gestanden." (Sandvoß, S. 14) 

Dieser Protest beim Evangelischen Oberkirchenrat war umsonst. Trotzdem blieb Dibelius' Verhältnis zum Staat noch lange ambivalent. Nach anfänglichem Zögern stellte er sich aber der "Bekennenden Kirche" als Berater und Seelsorger zur Verfügung. Aus einem 1937 von Reichskirchenminister Kerrl gegen ihn angestifteten Prozeß ging Dibelius überraschend als Sieger hervor. Auf die provozierende Frage Kerrls, warum er sich überhaupt so engagiere, er sei doch gar nicht mehr im Dienst, hatte Dibelius geantwortet: "Ein Christ ist immer im Dienst." Diese Worte machte er 1960 zum Titel eines Buches, in dem er sich mit dem Verhältnis von Staat und Kirche auseinandersetzte. 

Die Ernennung Dibelius' zum Bischof von Berlin und Brandenburg 1945 war nicht unumstritten. Besonders unter den jungen, bis 1945 illegal arbeitenden Pfarrern war die Enttäuschung über die Reorganisation der Kirche groß. Anstatt sich an der Arbeitsweise der "Bekennenden Kirche" zu orientieren, folgte die Verwaltung den alten Strukturen der konsistorialen Kirche vor 1933. Dibelius gehörte zu den Verfassern des umstrittenen "Stuttgarter Schuldbekenntnisses'' Diese im Oktober 1945 an Vertreter der internationalen Ökumene übergebene Erklärung ermöglichte der deutschen evangelischen Kirche eine schnelle Versöhnung mit den Kirchen der Siegermächte, wurde aber in Deutschland selbst vielfach abgelehnt. 

Anläßlich des Gedenkgottesdienstes zum 50. Jahrestag des "Schuldbekenntnisses" äußerte der Vorsitzende des Rates der Ev. Kirche in Deutschland Kritik. Dem Bekenntnis, so Bischof Engelhardt, fehle es an Freimut, konkreter über Schuld zu sprechen; auch habe die Kirche in ihrer Gesamtheit kein Wort zur Judenverfolgung und zur Euthanasie gefunden. Bischof Dibelius wurde Mitglied des Präsidiums des Weltkirchenrats und des Ökumenischen Rates der Kirchen, er war Vorsitzender der Ev. Kirche Deutschlands und Inhaber zahlreicher Ehrenämter und Auszeichnungen. Am 1. April 1966 ging er als Bischof in den Ruhestand und starb, hochgeehrt, im Alter von 86 Jahren. Er wurde auf dem Parkfriedhof beigesetzt, wo bereits seine Frau und andere Familienangehörige ihre letzte Ruhestätte gefunden hatten. Als Ehrenbürger der Stadt Berlin (1958) erhielt er ein Ehrengrab. Die Inschrift Vivit (d. h. er lebt) geht auf ein Lutherwort zurück und ist als Zeichen des Auferstandenen, des Sieges über den Tod zu verstehen. 

Otto Franz Wilhelm Dibelius (1876-1931), der Bruder des Bischofs, ist in Abt. 16-336/ 37 beigesetzt. Er wirkte seit 1925 als ordentlicher Professor der Anglistik in Berlin. Sein Forschungsschwerpunkt war die Geschichte des englischen Romans. Seine Dickens- Monographie, eine über das Biographische hinausgehende Gesamtdarstellung des Dichters in seiner Zeit, zählte lange zu den Meisterleistungen der Anglistik. Otto Franz Wilhelm Dibelius, der zuletzt in der Wilmersdorfer Barstraße 55 lebte, erlag im Alter von 54 Jahren einem Krebsleiden.