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Jahrbuch 1999 für Steglitz - Aus der Geschichte des Grundstücks Schloßstraße 38/ 40

Das heute noch größtenteils wie ein Park wirkende Grundstück, auf dem sich die "Schwartzsche Villa' befindet, hat seit Beginn des 19. Jahrhunderts eine recht wechselvolle Bebauung erfahren.

Ehemals, vor 1800, gehörte das Grundstück dem Kossäten Johann Schulz, später dem Bauern Jürgens.

Aus dem Jahre 1834 wird überliefert, daß sich hier eine Villa befand, die von den Erben des Wirklichen Geheimen Staats- und Finanzministers von Motz bewohnt wurde.

Ein großer Ziergarten mit Wandelwegen umgab das Haus an den Seiten, die zur Schloß- und Grunewaldstraße hin lagen. Die Angabe "Oppenfelds Garten" auf einem Plan, der im Jahre 1839 gefertigt wurde, läßt noch einen kurzzeitigen Zwischennutzer erkennen; schon am 27. Juli 1839 pachtete der wohlbekannte Johann Adolf Heese, Inhaber der "Sammet- und Seidenwaren Fabrik J.A. Heese" in Berlin, das Grundstück. Im folgenden Jahr ließ er hier seine erste Maulbeerbaumplantage anlegen. Die Blätter dieser Bäume werden zur Fütterung der Raupe des Seidenspinners benötigt. Die neueröffnete Berlin-Potsdamer Eisenbahnstrecke (1838) wird den in die Zukunft blickenden Unternehmer besonders bewogen haben, sich hier anzusiedeln. Hinzu kamen die günstigen Bodenpreise, die ihn noch im selben Jahr auf der anderen Seite des Bahndammes ein 74 Morgen großes Landstück eines "Sandbodens der geringsten Klasse" erwerben ließen.

Danach baute sich der "Agent der Reichsbank" Maurer direkt vor das ehemals Motzsche Gebäude, das dann abgerissen wurde, eine prachtvolle mit einem kräftigen Turm versehene neue Villa. Die nach allen Himmelsrichtungen hin offene Loggia, die den an das Haus gelehnten Turm zierte, trug noch eine mächtige Fahnenstange, an der stolz die weithin sichtbare schwarz-weiß-rote Flagge wehte. Es gab einen "hauseigenen" Gärtner namens Carl Pietschmann, der im Hofgebäude seine ständige Wohnung hatte. Zur Straßenecke hin wurde das Grundstück von einer mit einer säulengetragenen Pergola bestückten, halbrunden Ziegelsteinmauer nach Vorbild der Glienicker "Großen Neugierde" abgeschlossen. Diesen Teil der Grundstücksbegrenzung, wie auch den schmiedeeisernen Zaun und sogar die auf einem hohen Sockel diese Ecke zierende liebliche Frauenskulptur hat der folgende Besitzer, der Bankier Carl Schwartz, als er tiefer im Gelände die jetzt restaurierte Villa in den Jahren 1895 bis 1898 erbauen ließ, beibehalten. Ein Vergleich erhaltener Fotos mit dem Gemälde Albert Schwendys, die Maurersche "Villa Lydia" im Jahre 1872 darstellend, gibt uns darüber detailliert Auskunft.

Bankier Schwartz wohnte den Winter über in Berlin in der Bellevuestraße; im Sommer jedoch zog es ihn ins ruhige, grüne Steglitz, wo er - vermutlich 1890 - das Grundstück von der Witwe oder den Erben des verstorbenen Vorbesitzers Maurer kaufte. Zuerst wohnte er "vorn" im Maurerschen Hause, bis er am 16. Februar 1898 (Datum nach freundlicher Auskunft der Steglitzer Kunstamtleiterin Frau Weißler) das neuerbaute Domizil einweihen konnte. Die nahe der Straße stehende alte Villa wurde abgerissen. Ein alter, begüterter Mann hatte sich seinen wohlverdienten Alterssitz geschaffen. Sein Ehrentitel "Ältester der Kaufmannschaft" zeigt, daß er ein hochangesehener Bürger im Berliner Wirtschaftsleben gewesen ist. Daß er als Mitinhaber des Bankhauses Robert Warschauer und Co. auch zu einem außerordentlich großen Vermögen gekommen ist, verrät uns das Jahrbuch der Millionäre in der Provinz Brandenburg für das Jahr 1913, das ihn 11 bis 12 Millionen Goldmark "schwer" schätzte. Heute sind wir froh, daß dieser Prachtbau sowohl die Zeitläufe als auch ein einst abrißwilliges Bezirksamt, das dort einen Bau für die Bezirksverwaltung errichten wollte, überdauert hat. Man darf hier ruhig einmal an die heißen, oft auch unangenehmen Rededuelle in der BVV erinnern, in denen sich die Bezirksverordnete Noll, ehemalige Vorsitzende des Heimatvereins für den Bezirk Steglitz, vehement für die Erhaltung dieses Bauwerks gegen den massiven Druck der Abrißlobby eingesetzt hat. Jetzt können wir den in seiner alten Schönheit wieder hergerichteten Bau als "Steglitzer Kulturzentrum" und "Kommunale Galerie" sinnvoll nutzen. Wir sollten des verewigten Carl Schwartz dankbar gedenken und ihm, wenn uns der Weg am Friedhof in der Bergstraße, auf dem er heute liegt, nachdem seine erste Ruhestätte hier auf seinem eigenen Grundstück aufgehoben worden war, einmal vorbeifuhrt, unseren respektvollen Gruß entbieten.

Zusammenstellung aus den Archiven: Heimatverein Steglitz, W. Holtz, G. Lehnhardt