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Jahrbuch 1999 für Steglitz - Ernst von Stubenrauch

Ernst von Stubenrauch

Ernst v. Stubenrauch können wir als den Schöpfer des Teltowkanals bezeichnen. Er war der bedeutendste Landrat des Kreises Teltow (1885 bis 1908), nach ihm sind in Berlin eine Brücke über den Teltowkanal und vier Straßen benannt (in Zehlendorf, Friedenau, Rudow und Lichterfelde). Außerhalb Berlins im ehemaligen Kreis Teltow gibt es diverse weitere. In Steglitz hat man den Stubenrauchplatz an der Florastraße am 1. Oktober 1962 in Jochemplatz umbenannt. Ernst v. Stubenrauch (Adelstitel aus dem Jahre 1900) wurde am 19.7.1853 im schlesischen Sagen geboren und kam als etwa 10jähriger mit seinen Eltern nach Berlin, da sich sein Vater hier als Rechtsanwalt niederließ. Nach seiner Schulzeit am Friedrich Verdreschen Gymnasium ging er mit bestandenem Abitur nach Heidelberg, um dort Jura, Kameralia (Verwaltung und Staatswissenschaft) und Volkswirtschaft zu studieren.

Wenige Wochen später, beim Ausbruch des deutsch-französischen Krieges am 19. Juli 1870 (seinem 18. Geburtstag), trat er als Kriegsfreiwilliger in das Garde-Füsilier-Regiment (leichte Infanterie) ein und nahm an der Belagerung von Paris teil. Sein Studium setzte er nach den Feldzügen in Berlin fort und ging dann im März 1875 als Referendar nach Altlandsberg, später nach Angermünde und Berlin.

1879 bestand Stubenrauch sein Assessorexamen und wurde Hilfsrichter in Berlin, dann von 1880 bis 1885 Regierungsassessor in Potsdam.

Im Februar 1885 wurde der Landrat des Kreises Teltow, Prinz Handjery, zum Präsidenten der Königlichen Regierung in Liegnitz ernannt. Favorit als dessen Nachfolger war innerhalb des Kreises der Amtsvorsteher v. Oppen-Adlershof. Minister v. Puttkamer jedoch sprach den erst 32jährigen Ernst Stubenrauch an, ob er es sich zutraue, trotz der Opposition, den Posten anzustreben. Dieser antwortete: "Wenn Eure Excellenz den Mut haben, mich hinzuschicken; ich habe den Mut, hinzugeben, und ich glaube auch, daß die Herren mit mir ganz gut auskommen werden."

Am 1. April 1885 übernahm Stubenrauch kommissarisch die Verwaltung des Landratsamtes des Kreises Teltow. Schon am 1. Juli beschloß der Kreistag einstimmig, auf andere Vorschläge zu verzichten. Am 18. August vollzog Kaiser Wilhelm I. die Ernennung, und am 20. August lud er ihn auf Schloß Babelsberg (Kreis Teltow) ein, um ihm hiervon Mitteilung zu machen.

Mit Stubenrauch scheint der richtige Mann zur richtigen Zeit gekommen zu sein, der mit Triebkraft und Durchsetzungswillen die Geschicke des Kreises zu leiten wußte: Die Ausdehnung Berlins in Richtung Süden brachte für den Kreis Teltow (damals 164.000 Einwohner) einige Probleme.

Stubenrauch erhöhte die Zahl der Beamten im landrätlichen Büro. Auf seine Anregung hin erschien 1887 die erste von Adolf Hannemann verfaßte Kreisstatistik und Kreisbeschreibung auf fast 500 Seiten (Neuausgabe 1894).

Unter Prinz Handjery sind die Hauptstraßen vom Süden des Kreises bis Berlin ausgebaut worden; Stubenrauch kümmerte sich um die Verbindungsstraßen. Das Chausseenetz wurde von 1885 bis 1895 von 350 km auf 500 km Länge ausgebaut. Weiterhin förderte er den Absatz landwirtschaftlicher Erzeugnisse; zum Beispiel ließ er die heutige Grunewaldstraße (Schöneberg) anlegen, da die Wilmersdorfer Bauern ihre Milch vorher wegen der schlechten Wegeverhältnisse nicht nach Berlin bringen konnten.

Stubenrauch kümmerte sich um die Hygiene in seinem Landkreis. Der übelriechende "Schwarze Graben" im Bereich des heutigen Kurfürstendamms wurde 1891 kanalisiert und verschwand bald unterirdisch. Nuthe, Dahme und Bäke wurden reguliert. Seit 1895 dürfen Berliner Müllabfallgesellschaften Berlins Hausmüll nicht einfach auf Teltower Felder kippen, sondern dieser muß auf Kähnen über die Kreisgrenzen hinaus befördert werden.

Nachdem das Landratsamt zwischen 1915 und 1871 in der Teltower Ritterstraße 29 (das Gebäude steht noch heute, Leider befindet es sich in einem beklagenswerten Zustand), beheimatet war (vorher hatten die Landräte ihr Büro im eigenen Hause), verlegte man es im März 1871 nach Berlin in die Matthäuskirchstraße 21. Die Umzugskosten betrugen 151 Taler und 20 Groschen; der Umzug von Bonn nach Berlin wird ein wenig teurer, die Entfernung ist jedoch auch größer.

Bereits im Sommer 1872 reichten die Räume nicht mehr aus, man zog vorübergehend in die Privatwohnung des Landrats Prinz Handjery, Flottwellstraße 3.

Im Jahre 1873 kaufte der Kreis das Grundstück Körnerstraße 24 als seinen Amtssitz, bis im März 1889 unter Stubenrauch der Kreistag beschloß, die Grundstücke Viktoriastraße 17a und 18 am Potsdamer Bahnhof zu erwerben. Bis 1860 gehörte dieses ehemalige Schöneberger Gebiet zum Kreise Teltow, die Grenze zu Berlin war der ehemalige Schafgraben (heute Landwehrkanal).

Den Auftrag zum Bau des neuen Kreishauses erhielt Franz Schwechten aus Köln. Der Bau wurde im Frühjahr 1890 begonnen und war im Herbst 1891 fertig; die Einweihung fand in Gegenwart des Kaisers am 18. Dezember 1891 statt.

Stubenrauch engagierte sich auch sozialpolitisch, so wurden in seiner Amtszeit mehrere Krankenhäuser im Kreis gebaut. 1894 Trebbin (übernommen durch den Kreis), 1996 Britz, 1897 Königs Wusterhausen, 1900 Groß-Lichterfelde (ab 1913 Stubenrauch Krankenhaus), 1907 Mittenwalde.

Ferner zeichnete Stubenrauch auch verantwortlich für den Bau des Grunewaldturmes, der vom Architekten Schwechten 1897 zum 100. Geburtstag von Wilhelm I. geplant wurde.

Stubenrauch war es, der dem Wannsee den Badebetrieb brachte, indem er das Baden in den Seen erlaubte. Nun durften die Polizisten dieses nicht mehr verbieten, sondern mußten sogar die Badenden schützen.


Teltowkanal damals beim Bau und heute
(historisches Foto: Archiv Heimatverein, Teltowkanal heute: Stadtteilzentrum Steglitz)

Seine bedeutendste Leistung war ohne Zweifel die Initiative zum Bau des Teltowkanals. Am 22.12.1900 erfolgte der erste Spatenstich (Durchstich an der Glienicker Lake), und am 2. Juni 1906 wurde der Kanal eröffnet. Gemeinden entlang der Bäke hatten sich lange Zeit bemüht, das versumpfte Bäketal als Vorfluter zur Abwasserbeseitigung zu benutzen. Mit dem Bau des Kanals schaffte es Stubenrauch, dieses Problem zu lösen; zum anderen wurden Havel und Spree im Süden Berlins verbunden, was dem Schiffsverkehr Zeitersparnis brachte.

Von den Industrieansiedlungen längs des Kanals hatte sich der Landrat mehr versprochen. Auch nach dem 1. Weltkrieg war die Entwicklung in diesem Punkte schleppend.

Stubenrauchs 23jährige Amtszeit zum Wohle des Kreises Teltow war geprägt durch sein Durchsetzungsvermögen, durch seine Gabe, Schwierigkeiten zu lösen. Gesetze, die durchgefallen waren, brachte er so lange wieder auf die Tagesordnung, bis er sie durchgeboxt hatte.

Seinen Untergebenen blieb er stets Vorbild, alle achteten ihn. Stubenrauch verlangte von seinen Beamten absolute Disziplin, was bedeuten konnte, länger im Dienst zu bleiben, wenn es notwendig war, ohne Rücksicht auf die Familie. Urlaub durfte nur bei Krankheit genommen werden.

Im Januar 1908 wurde Stubenrauch zum Polizeipräsidenten von Berlin ernannt. Hier konnte er nur noch ein Jahr wirken. Im Herbst 1908 befiel ihn eine unheilbare Krankheit (Kehlkopfkrebs), am 4. September 1909 erlag er dieser bei einem Kuraufenthalt in Schierke im Harz.

Sein Begräbnis wurde unter großer Anteilnahme der Bevölkerung begangen. Die Trauerfeier fand in der Berliner Garnisonskirche statt. Der Zug ging anschließend durch Berlin über Tempelhof, Großbeeren hinaus nach Genshagen, wo Stubenrauch in dem Erbbegräbnis der Familie seiner Ehefrau Frieda, geb. Freiin von Eberstein, seine letzte Ruhestätte fand.

Schon zu Lebzeiten hat der Bildhauer Ludwig Manzel von ihm eine Büste für den großen Sitzungssaal des Kreishauses in der Viktoriastraße geschaffen, die heute nicht mehr existiert.

In Teltow wurde am 25.10.1908 eine Stubenrauchbüste auf dem Marktplatz aufgestellt, die der Künstler Ferdinand Lepcke gefertigt hatte. Diese ist nach dem 2. Weltkrieg umgestellt worden und steht seit kurzem wieder an alter Stelle.

Wolfgang Holtz .