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Jahrbuch 1999 für Steglitz - Die Benjamin-Franklin-Stiftung

1955-1968 - Die Geschichte der Benjamin-Franklin-Stiftung

Treibende Kraft für die Realisierung des Steglitzer Universitätsklinikums waren die Amerikaner. Der zum 25jährigen Jubiläum am 26. Juni 1994 entstandene Gedanke, dem Klinikum den Namen Universitätsklinikum Benjamin Franklin zu geben, erinnert daran, daß es die Benjamin-Franklin-Stiftung war, die in den 50er und 60er Jahren Planung und Bau dieses Klinikums ermöglichte. Die Entstehungsgeschichte der Stiftung ist eng mit dem Bau der Berliner Kongreßhalle verbunden, mehr noch: Dieses Projekt war der Anlaß für die Gründung der Benjamin-Franklin-Stiftung. Sie beendete ihr Wirken mit dem Bauabschluß des Universitätsklinikums Steglitz.

Initiatorin Eleanor Dulles

Am 9. Oktober 1968 wurde das Klinikum Steglitz durch die Benjamin-Franklin-Stiftung an das Land Berlin und von diesem an die Freie Universität Berlin übergeben. Daß diese Feierlichkeiten in der Kongreßhalle stattfanden, hatte einen tieferen Zusammenhang: Sowohl die Kongreßhalle als auch das Universitätsklinikum Steglitz wurden durch das finanzielle und ideelle Engagement der Benjamin- Franklin-Stiftung realisiert. Es war Eleanor Dulles, die Schwester des amerikanischen Außenministers John Foster Dulles, der diese Stiftung im wesentlichen ihre Existenz verdankte. Die Wirtschaftsexpertin arbeitete von 1952-1959 als Referentin am "Berlin Desk" des State Departments. Entsprechend groß war ihr Einfluß auf die Entwicklung beider Bauprojekte, die sie durch zahlreiche Besuche in Berlin bis zu ihrer Fertigstellung begleitete.

Drohender Verlust von US-Fördergeldern

In den 50er Jahren stellte das US State Department großzügige Geldmittel in Höhe von jährlich etwa einer Million Dollar für Wiederaufbauprogramme in Deutschland und Berlin bereit. Folgt man der Schilderung von Eleanor Dulles, so wurde die Benjamin-Franklin-Stiftung zunächst aus rein zweckmäßigen Erwägungen gegründet. Denn dem Berlin-Fonds des State Departments drohte 1955 der Verlust der nicht verbrauchten Gelder. Als "einzigen Ausweg" sah Eleanor Dulles "die Gründung einer Stiftung nach den Berliner Gesetzen, der das Geld unwiderruflich überwiesen werden könnte".

Der Rahmen der IBA

Parallel dazu liefen in Berlin gerade die Vorbereitungen für die Internationale Bauausstellung im Jahre 1957 auf Hochtouren. Ihr Thema war der exemplarische Wiederaufbau des Stadtteils Tiergarten. Bei diesem Projekt sollte eine Elite internationaler Architekten Impulse und Ideen einbringen. Die Vereinigten Staaten sandten zur Vorbereitung ihrer Teilnahme eine Kommission nach Berlin, der auch Eleanor Dulles angehörte. Delegationsleiter war Ralph Walker, ein führender Architekt des American Institute of Architects (AIA). Schnell entstand die Projektidee einer Kongreßhalle. Sie sollte als Stätte der kulturellen, erzieherischen und wissenschaftlichen Förderung das "Wachstum einer weitgespannten internationalen Verständigung zum Ziele haben".

Die Gründung der Stiftung

Die Regierung der Vereinigten Staaten nahm diesen Vorschlag an. In das Projekt der Kongreßhalle sollten die Gelder des State Departments fließen. Im Mai 1955 wurde eine gemeinnützige deutsch- amerikanische Stiftung ins Leben gerufen und Ralph Walker zum Vorsitzenden ernannt. Am 21. Oktober 1955 wurde die Benjamin-Franklin-Stiftung vom Berliner Senator für Justizwesen zugelassen. Das Direktorium, ernannt vom Außenminister der Vereinigten Staaten und vom Regierenden Bürgermeister von Berlin, Otto Suhr, setzte sich aus je fünf deutschen und amerikanischen Mitgliedern zusammen. Neben den Vereinigten Staaten von Amerika (4,5 Mio. Mark) steuerten auch die Bundesrepublik Deutschland (5,8 Mio. Mark) und die Stadt Berlin (9 Mio. Mark) erhebliche Mittel zu der Stiftung bei, die gesamtverantwortlich Planung und Bau der Kongreßhalle steuerte.

Kongreßhalle als Symbol

In der Konzeption der Berliner Kongreßhalle kam die Zielsetzung der BenjaminFranklin-Stiftung klar zum Ausdruck. Ralph Walker betonte anläßlich ihrer Grundsteinlegung am 3. Oktober 1956 den Symbolcharakter des Bauwerks als "Hort der geistigen Freiheit". In ihr sollte "die Idee einer verantwortungsbewußten Freiheit des Denkens und Meinungsaustausches zum Ausdruck kommen". Zum Namenspatron für diese Inhalte und Gedankenassoziationen ernannte die Stiftung Benjamin Franklin, "der nicht nur in der Legende, sondern auch in der Tat diese Idee verkörperte". Dieser Gedanke lag auch nahe, weil im Jahr der Grundsteinlegung der Kongreßhalle der 250. Geburtstag Franklins gefeiert wurde.

Ein neues Projekt

Die Benjamin-Franklin-Stiftung beendete ihr Wirken nicht - wie ursprünglich geplant -bereits mit dem Bauabschluß der Kongreßhalle im Jahre 1957, sondern arbeitete insgesamt 13 Jahre für den Wiederaufbau Berlins. Nach der Eröffnung der Kongreßhalle wandte sie sich vor allem - neben dem Bau von Sozialbauten und Studentenwohnheimen - einem noch erheblich umfangreicheren Projekt zu, nämlich der durch Eleanor Dulles inspirierten Idee, den Verlust der Charité für West-Berlin durch den Bau eines großen und modernen Allgemeinkrankenhauses auszugleichen.

Mitte der 5oer Jahre wurde die Errichtung eines kommunalen Krankenhausneubaus im Südwesten Berlins immer nachdrücklicher gefordert. Nachdem das Stubenrauch-Krankenhaus von der US-Army als Military Hospital benutzt wurde, gab es in diesem Stadtteil einen eindeutigen Bettenbedarf. Für den Neubau eines Bezirkskrankenhauses fehlten jedoch die finanziellen Mittel. Willy Brandt, Regierender Bürgermeister von Berlin, sprach dieses Problem bei seinem Besuch im Februar 1958 in Washington an.

Es ist anzunehmen, daß Eleanor Dulles auch beim weiteren rasanten Fortgang des Krankenhausprojekts alle Fäden zusammenführte. Denn bereits im Mai 1958 setzte das State Department einen Gutachterausschuß unter Beteiligung von Sachverständigen aus Berlin ein. Er prüfte in den ersten Junitagen, "ob es wünschenswert sei, in Berlin ein Krankenhaus zu bauen, als weiteren Beweis des amerikanischen Interesses an der Zukunft Berlins".

Den Vorsitz dieses Ausschusses hatte wiederum Ralph Walker. Leon Chatelain, der später sein Nachfolger als Vorsitzender der Benjamin-Franklin-Stiftung werden sollte, gehörte dem Gremium ebenfalls an. Am letzten Tag ihrer Reise traf die Delegation mit Vertretern der Medizinischen Fakultät der Freien Universität zusammen.

Ein Krankenhaus und Zentrum der Lehre

Auf 17 Seiten analysierte der Ausschußbericht Gesundheitswesen und Krankenhausverhältnisse in den drei Westsektoren Berlins. Befürwortet wurde ein amerikanisches Engagement unter der Bedingung, daß der Krankenhausbau zugleich Kern "eines medizinischen Lehrzentrums für die Freie Universität" sein sollte, denn die Gutachter sahen zwar die Dringlichkeit einer "Modernisierung auf dem Krankenhausgebiet in Berlin" Die "größte Notwendigkeit" bestand für sie jedoch in der Ausbildung von Ärzten im Westteil der Stadt. Dieses starke Interesse der Medizinerausbildung gipfelte in der Absicht Ralph Walkers, "the best teaching center of Europe" entstehen zu lassen. Bereits am 5. August 1958 wurde die Benjamin-Franklin-Stiftung mit der Erstellung eines Raumprogramms für das Universitätsklinikum Steglitz beauftragt. Ein deutsch-amerikanisches Architektenteam unter der Leitung von Franz Mocken und Arthur Davis wurde mit der Planung des Baus am Teltowkanal betraut.

Alles unter einem Dach

Um ein Universitätskrankenhaus in Berlin zu konzipieren, wurde vom Auswärtigen Dienst der USA in Berlin eine Einladung an das Dekanat der Medizinischen Fakultät ausgesprochen. Vom 27. Juli bis zum 13. August 1958 reiste eine erste Gruppe der Fakultät zu weiteren Beratungen in die USA. Auf dem Programm stand vor allem die Besichtigung moderner Krankenhausbauten, etwa der Harvard- Medical School, der Yale School of Medicine und des National Institute of Health.

Leitidee der Planung war das Bemühen, die vielfältigen klinischen und theoretischen Einrichtungen in einen engeren Zusammenhang zu bringen. Maßgeblich waren dabei ökonomische Gesichtspunkte wie Rationalisierung und Mechanisierung, aber auch die vom Wissenschaftsrat geforderte Dezentralisierung des Unterrichts und die Intensivierung der praktisch-klinischen Ausbildung, bis hin zu einer Neuordnung der medizinischen Lehre. Zwei Jahre später - die Ausschachtungsarbeiten für das Klinikum Steglitz waren bereits in vollem Gange - reiste noch einmal eine Delegation unter der Leitung des Dekans Professor Hans Herken in die Vereinigten Staaten. Ihr ausgesprochenes Ziel war es, eine "Zusammenfassung der Kliniken, Polikliniken und Forschungs- und Lehreinrichtungen in einem Gebäude" zu organisieren. So entstand das erste Krankenhaus Europas, das alle Kliniken und Institute unter einem Dach vereinte, als Klinikum in Berlin. Mit ihrer großzügigen Spende von 60 Millionen Mark stellte die Regierung der Vereinigten Staaten über die Benjamin-Franklin-Stiftung ein Fünftel der Bausumme zur Verfügung. Mit der Feier zur Übergabe des Klinikums an die Freie Universität rundete sich 1968 der Bogen eines ungewöhnlichen Engagements. Bei der feierlichen Schlüsselübergabe erneuerte der damalige amerikanische Botschafter in der Bundesrepublik, Henry Cabot Lodge (1902-1985), die Garantie seines Landes für die Sicherheit und die Freiheit Berlins. Und in den Räumen der Kongreßhalle, mit der die Benjamin-Franklin-Stiftung ihre Arbeit begann, wurde nun zugleich, nach 13 Jahren, der Schlußpunkt ihrer Tätigkeit markiert.

Felicitas Wlodyga

Am 26. Juni, zum zweiten Jahrestag der Taufe, fand in der Westhalle des Klinikums ein Festakt statt. Zu diesem Anlaß wurde Eleanor Dulles, die am 1. Juni ihren 101. Geburtstag beging, mit der erstmals verliehenen Benjamin-Franklin-Medaille ausgezeichnet. Eleanor Dulles starb kurz darauf, am 30. Oktober 1996. 

Foto: Eleanor Dulles 1959 anläßlich der Grundsteinlegung des Klinikums Steglitz mit den Architekten Franz Macken (l.) und Arthur Davis.