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Jahrbuch 2001 für Steglitz -

Auf den Spuren von Ledermann
heutige Forschung am Botanischen Museum Berlin - Dahlem


Wer Carl Ludwig Ledermann war, werden Sie vielleicht nicht wissen. Aber er hat für das Botanische Museum Beachtliches geleistet. Es verdankt ihm viele Pflanzenaufsammlungen, die unter äußert schwierigen Bedingungen zusammengetragen wurden. Ledermann war in der Zeit tätig, als Deutschland an der Nordküste von Neuguinea noch koloniale Aktivitäten entfaltete. Sümpfe wurden trocken-, Plantagen angelegt und Städte sowie ein umfangreiches Straßennetz gebaut. Die Region wurde nahezu von der Steinzeit ins 20. Jahrhundert katapultiert. Ihre Einwohner waren offensichtlich von den Ersten Steinhäusern so beeindruckt, dass das deutsche Wort " Haus" noch immer in der Lokalsprache verwendet wird. Weniger bekannt ist, dass die Pioniere, Die die Aufbauarbeit leisteten, auch ausgedehnte Erkundungszüge in das extrem unzugängliche, gebirgige Hinterland unternahmen. Dabei entdeckten sie eine reiche biologische Vielfalt. Unter diesen Wegbereitern war auch Ledermann. Er schickte die botanischen Proben an den Botanischen Garten und das Botanische Museum, wie mit dem damaligen Direktor Prof. Adolf Engler vereinbart. Berliner Wissenschaftler untersuchten das eingehende Material und beschrieben viele, neue, unentdeckte Arten. Gab es in Berlin keinen entsprechenden Spezialisten, wurden die Proben an Kollegen in ganz Europa, z.B. nach Wien, Budapest oder Bern, geschickt.

Leider ging viel Material verloren, als in den Kriegswirren des Jahres 1943 das Museum größtenteils abbrannte. Von Ledermanns Flechten blieben nur einige wenige nach Budapest ausgeliehene Exemplare erhalten und zeugen von der gewaltigen Leistung und Passion des Sammlers.
Inzwischen sind die erlittenen Schäden am Botanischen Museum beseitigt und die Forschung blüht erneut dank aktueller Aufsammlungen. Auch die Erkundung der reichen Natur von Neuguinea wurde wieder aufgenommen. Gegenüber früher sind die heutigen Rahmenbedingungen grundverschieden. Ledermann hatte lange Schiffsreisen, wochenlange Fußmärsche durch steile Gebirge und schlechte Straßen in Kauf zu nehmen. Aber er benötigte keine Sammelgenehmigungen, welche oft einige Monate Bearbeitungszeit erfordern. Um das umfangreiche Material wissenschaftlich auszuwerten, kooperieren heute viele Fachkollegen aus dem In- und Ausland.

Dem Flechtenspezialisten am Botanischen Museum, Herrn Dr. Harrie Sipman, boten belgische Kollegen 1991 an, sich an der Erkundigung der Flechtenflora von Papua Neuguinea zu beteiligen. Dieses Projekt war als Forschungsschwerpunkt ausgewiesen und durch Fördermittel ermöglicht. Es wurden mehrere spezialisierte Flechten-Expeditionen durchgeführt. An diesen waren Wissenschaftler aus fünf Ländern beteiligt.
Auch der Autor und sein belgischer Kollege haben für ihre Forschungen keine Anstrengungen gescheut. Hier sammeln sie Flechten auf dem Gipfel von Mount Wilhelm dem höchsten Berg Neuguineas.
Der belgische Staat stellte eine biologische Feldstation zur Verfügung, die als Basislager diente. Sie lag auf einer kleinen Insel vor der Nordküste in der Nähe der Ortschaft Bogia und war ein ehemaliges Ferienhaus von König Leopold III von Belgien. In den feuchten Tropen ist man ständig in Sorge, dass das gesammelte Material schimmelt und wie man es im guten Zustand nach Europa bringt. Bei der Geländearbeit ist jede Unterstützung mehr als willkommen. Deshalb gilt dem Stationsrat besonderer Dank. Er kümmerte sich um die langwierigen Exportgenehmigungen und um das Geländefahrzeug für den Transport des schweren Gepäcks. Die flämischen Spezialitäten seiner Frau waren im tropischen Busch von Neuguinea ein ganz besonderer Luxus! Leider wurde diese Station nach einer Schießerei aufgegeben.

Die Sicherheit hat sich in den letzten Jahren verschlechtert und hängt sehr von den lokalen Verhältnissen ab. Im Simbu-Tal sorgte viele Jahre eine Polizeistation für Ordnung. Jedoch trafen wir als Expeditionsteilnehmer 1992 nur noch deren Fundamente an. Die Folgen konnten wir wenige Tage später erfahren. Wir fuhren eine neu angelegte Straße hinauf, um in nahezu unberührten Bergwäldern nach Flechten zu suchen. Es war ein erfolgreicher Ausflug, wobei uns ein Einheimischer hilfsbereit den Weg wies. Wie wunderten uns, dass er nicht mit uns zurück ins Tal fahren wollte. Dabei waren weit und breit keine Häuser zu sehen. Die Antwort kam einige Kilometer weiter, wo die Straßen durch ein Autowrack blockiert wurde. Es erschien der Dorfälteste. In seinem Gefolge waren mit Pfeil und Bogen bewaffnete Männer. Er beschuldigte uns seine Fische auf seinem Gebiet gefangen zu haben. Obschon der Beweiß dafür in unserem Fahrzeug fehlte, wollte er uns nur gegen die beträchtliche Zahlung von US$ 100 durchlassen. Es gelang uns schließlich, ihn auf US$ 20 herunter zu handeln, wonach wir schnell ins sichere Tal weiterfuhren.

Um schwierig erreichbare Orte im Bergland zu besuchen, haben die Missionen früher viele kleine Landepisten angelegt. Es wurden Fluggesellschaften gegründet, die noch heute regelmäßige Verbindungen unterhalten. Für die angeflogenen Orte bedeutet das Kontakt zur Zivilisation, Zugang zu einer Schule, einem kleiner Spital und die Exportmöglichkeiten ihres im Tiefland heißbegehrten Gemüses. Es gibt in den Bergen nicht viel Platz für Landepisten. normalerweise wird deshalb eine Hanglage ausgenutzt, um den Bremsweg zu verkürzen und um die Startgeschwindigkeit auf kürzester Strecke zu erreichen. Für uns Forscher ist dies die einzigste Möglichkeit, in die artenreichen Bergwälder vorzudringen. Andererseits hat die Abwesenheit von befahrbaren Straßen einen Vorteil. Die Rodung der Wälder ist eingeschränkt.
Bewohner von Honzeukngon sind interessierte Zuschauer bei der Untersuchung...

In den letzten 14 Jahren besuchten wir viermal Papua Neuguinea. Dabei kamen weit über 10.000 Flechtproben zusammen. Dies ist eine beachtliche Vervielfachung gegenüber den etwa 1000 Belegen, die vorher der Forschung zur Verfügung standen. Bei der Auswertung wurden etwa 75 neue Arten erkannt und in fünf wissenschaftlichen Publikationen beschrieben. Durch die Projektarbeit stieg die Zahl der aus Neuguinea bekannten Flechtenarbeiten von 495 auf über Tausend. Die Hälfte aller neu gesammelten Proben (5000) werden im Herbarium des Botanischen Museums gelagert und stehen weltweit zu Forschungszwecken zur Verfügung.


Dr. Harrie Sipman