100 Jahre Lankwitz Kirche
von Pfarrerin Gisela Kraft
Mitten im Zentrum von Lankwitz, eine
Backsteinkirche im neugotischen Stil. Auf dem leicht erhöhten
Kirchplatz, hinter alten Bäumen, lädt sie zum Verweilen ein.
"Lankwitz Kirche", so heißen die Busstationen an dieser
vielbefahrenen Straßenkreuzung. Unter "Lankwitz Kirche"
ist sie vermutlich eher bekannt als unter ihrem richtigen Namen:
"Dreifaltigkeitskirche Lankwitz".
In diesem Jahr feiert die
Evangelische Dreifaltigkeitsgemeinde in Berlin-Lankwitz den 100.
Geburtstag ihrer Kirche. Auf eine ereignisreiche Geschichte kann sie
zurückschauen.
Eine ganz andere Welt war das damals.
Der Baubeginn, 22.Oktober 1905, war der Geburtstag der Kaiserin
Auguste Viktoria, und zur feierlichen Einweihung am 11.Juni 1906 war
Prinz August Wilhelm von Preußen erschienen.
Damals bot die Kirche noch 900 Menschen Platz (heute ca. 600).
Lankwitz war ein aufstrebender Berliner Vorstadtbezirk geworden. Aus
dem kleinen Dorf "Lancovica", das im Jahr 1239 den
Benediktinerinnen im Kloster Spandau geschenkt wurde und um 1300
seine Dorfkirche erhielt, hatte sich nun Ende des 19.Jhdts. durch
den Bau der Bahnstrecke eine Gartenstadt und bald ein Zukunft
trächtiges Wohngebiet entwickelt.
Wurden um 1800 gerade mal 149
Bewohner gezählt, so gab es um 1900 bereits 4213 Lankwitzer.
Lankwitz wurde klug geplant und aufgebaut, zunächst begann man mit
der Infrastruktur: Rathaus, Polizei, Mädchen- und Knabenschule; da
durfte natürlich eine stattliche Kirche nicht fehlen. Der damalige
Bürgermeister Beyendorff unternahm mit seiner Familie von seinem
Wohnhaus in der Calandrellistraße aus Sonntagsspaziergänge, um
sich auf den diversen Baustellen persönlich von der Bauentwicklung
zu überzeugen. Damals war die fertige Kirche noch von
Getreidefeldern umgeben, doch bald war Lankwitz mehr und mehr
besiedelt.
Der 1.Pfarrer der seit 1894 von Schöneberg abgetrennten und
selbständigen Lankwitzer Gemeinde, Hugo Schacht, war ein
wortgewaltiger Mann aus Potsdam, musste sich aber das Vertrauen der
selbstbewussten Bauern erst noch erwerben. Sein Familiengrab ist auf
dem Dreifaltigkeitsfriedhof, Paul-Schneider-Straße, zu finden.
1919 gab es einen aufregenden
Zwischenfall: Ein Postflugzeug flog offenbar so nah an der 55 Meter
hohen Kirchturmspitze vorbei, dass es stark beschädigt neben der
Kirche notlanden musste.
1932 konnte von der Kirchengemeinde ein großes Gemeindehaus neben
der Kirche errichtet werden, wo die Redantur, Pfarr- und
Mitarbeiterwohnungen, sowie Gemeinderäume untergebracht waren. Auch
heute noch ist es, nach etlichen Umbauten, Treffpunkt für Jung und
Alt aus der Gemeinde und dem Lankwitzer Kiez.
In den 30er Jahren wurde die
Lankwitzer Kirche Ort für die Kirchenspaltung. Auf der einen Seite
gab es die "Deutschen Christen", die im
Nationalsozialismus ein Ergebnis des Heilshandeln Gottes sahen und
von der NSDAP unterstützt wurden. Dem gegenüber stand die
"Bekennende Kirche", die als kirchliche Oppositionspartei
sich gegen die Vereinnahmung durch den nationalsozialistischen Staat
wehrte. Die Spaltung durchzog die Gemeinde von den Pfarrern über
die Mitarbeiter bis zu den Gemeindegliedern. Pfarrer Ehrich, der
etliche Male von der Gestapo zum Verhör abgeholt wurde, hielt
damals Gottesdienste in "Lehmanns Festsälen" ab (Kaiser-Wilhelm-Str./
Seydlitzstraße), wenn ihm die Kirche verwehrt war.
Der 2.Weltkrieg brachte große Not
auch über die Lankwitzer Bevölkerung. In der Nach vom 22. zum 23.
August 1943 wurden bis zu 90 % von Lankwitz durch alliierte Bomber
zerstört. Die kleine Dorfkirche brannte völlig aus, die
Dreifaltigkeitskirche und das Gemeindehaus wurden stark beschädigt.
Lange Zeit ragte der Kirchturm ohne Spitze in den Himmel, man hielt
Gottesdienst im großen Saal des Gemeindehauses. Nach kostspieligen
Aufbauten konnte die Kirche 1951 wieder genutzt werden, die
Turmspitze erhielt sie aber erst 1964 zurück.
1961 wurde das Kircheninnere modernisiert, nicht alle Lankwitzer
hatten daran Gefallen. 1963 wurde die zu groß gewordene Gemeinde in
vier Gemeinden geteilt: Dorfkirchengemeinde, Paul-Schneider- und
Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde wurden selbständig.
In den 80er Jahren erfuhr die Kirche
eine erneute Umgestaltung, wobei vieles aus der alten Zeit wieder
einen Platz erhielt (z.B. das alte hölzerne Taufbecken). Eine
weitere Korrektur der Vergangenheit musste vorgenommen werden: der
aus akustischen Gründen in den Seitengewölben eingebrachte
Spritzasbest wurde 1996 entfernt. In der jüngsten Zeit konnten die
Apsisfenstern künstlerisch gestaltet werden.
Heute finden nicht nur Gottesdienste
in traditioneller und offener Form in der Kirche statt, sondern
zudem vielfältige Konzerte. Bei den täglichen Öffnungszeiten
bietet sie Möglichkeit zu Stille und Gebet, fast die ganze Woche
über. Auch das diakonische Projekt "Laib und Seele"
beherbergt sie nun seit Weihnachten 2005, eine wöchentliche
Lebensmittelausgabe für Bedürftige.
"Lankwitz Kirche" ging durch die Zeit- und mit der Zeit-
und sie lebt heute noch.
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